Sri Lanka - Tropisches Wanderparadies

Bericht von Susanne Albinger

Kleine und größere grüne Hügel strecken ihre Spitzen aus den Nebelschwaden im Tal. Ein See glitzert in der Ferne und der Wasserfall auf der gegenüberliegenden Felswand wird langsam in frisches Sonnenlicht getaucht.

Susanne Albinger

Sri Lanka - Auf den Stufen der Pilger

Ich bleibe stehen, weil mich irgendwas an meinem Schienbein zwickt. Ziehe das Hosenbein hoch und entdecke im Schein der Stirnlampe einen Blutegel, der wohl gerade zu einem frühen Snack ansetzen will. Gerade noch erwischt. Mit etwas Zug lässt sich der schwarze Wurm noch von meiner Haut lösen. Der Schweiß hat mittlerweile Unterhemd und T-Shirt durchnässt und ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Flüssigkeit man in so kurzer Zeit produzieren kann. Ich schalte meine Lampe aus und lasse die Umgebung auf mich wirken. Rundherum Dunkelheit, am Himmel ein paar Sterne und der schwache Schein des Mondes. Von den dicken Regenwolken vom Vorabend, hinter denen sich unser heutiges Ziel versteckte, ist nichts mehr zu sehen. Kurz nach 2 Uhr nachts sind wir zum heiligsten Berg der Singhalesen aufgebrochen: dem Sri Padaya. Oder auch Adam's Peak, wie er von den Portugiesen getauft wurde.

Mittlerweile hat sich die Gruppe zerstreut, jeder kämpft alleine mit sich und den über 5.000 Stufen, die zum Gipfel führen. Still ist es, nur mein Atem ist zu hören. Ein paar Bäume und Büsche lassen sich schemenhaft in der Dunkelheit erahnen. Ab und zu leuchten die hellen Punkte von Stirnlampen über mir. Vielleicht ist es ganz gut, dass man nicht sieht, wie viele der unregelmäßigen, steilen Stufen noch zu erklimmen sind.

Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, konzentriere mich darauf, den Fuß auf die nächste Stufe zu setzen. Ein junges Pärchen zieht mit schnellem Schritt zum dritten Mal an mir vorbei - nur um 10 Minuten später wieder schwer atmend am Rand zu stehen und von mir überholt zu werden. Langsam wird die Luft kühler und die Treppe windet sich in immer schmäleren Kurven den Berg hinauf. Ich muss Ästen ausweichen, die tief über dem Weg hängen. Nicht auszudenken, was sich hier abspielt, wenn in zwei Wochen mit Beginn der Pilgerzeit zum Vollmond mehrere Tausend Menschen gleichzeitig hier hoch wollen.

Der Geruch von frischem Brot weht mir entgegen. Und tatsächlich hat eine der kleinen Hütten entlang des Weges schon geöffnet und lockt mit heißem Tee und Roti, dem köstlichen Fladenbrot. Kurz bleibe ich stehen, erfreue mich am Lichtschein und der Wärme, den die Bretterbude ausstrahlt. Dann widerstehe ich der Versuchung und steige langsam hinauf über die Stufen. Weit kann es nun nicht mehr sein. Und wirklich, nach gut 15 Minuten stehe ich vor einer Mauer mit ein paar Stufen, auf denen schon ein paar müde Touristen sitzen. Es ist kurz nach 5 Uhr, noch keine Sonne zu erblicken und es bläst ein unfreundlicher Wind hier oben auf über 2.000 Metern. Hinter der Mauer liegt der kleine Tempel, der angeblich einen Fußabdruck Buddhas beherbergt. Das Ziel der Gläubigen, die alljährlich von Dezember bis Mai die Strapazen der 5.000 Stufen auf sich nehmen.

Doch heute ist das Tor zu, und die Aussicht auf die umliegenden Hügel wird durch ein hässliches Betongebäude verstellt. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Immerhin gibt es zum Aufwärmen einen Schluck Rum aus der mitgebrachten Plastikflasche. Als sich am Horizont die ersten orangen Streifen zwischen den Wolken zeigen, steigen wir wieder ein Stück über die Treppen hinab. Und nun offenbart sich die umliegende Landschaft vor uns in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Kleine und größere grüne Hügel strecken ihre Spitzen aus den Nebelschwaden im Tal. Ein See glitzert in der Ferne und der Wasserfall auf der gegenüberliegenden Felswand wird langsam in frisches Sonnenlicht getaucht. Die Stufen, malerisch eingerahmt vom roten Geländer, tauchen aus der Dämmerung auf, nur um weiter unten wieder im Nebel zu verschwinden.

Der Abstieg fordert weniger Atem, dafür aber umso mehr Beinmuskulatur, die sich in den nächsten Tagen beleidigt zeigen wird. Ein Schmuckbülbül macht seinem Namen alle Ehre und stellt sein gelbes Gefieder in der noch tief stehenden Sonne zur Schau. Nach drei Stunden abwärts über die Steinstufen gehen wir mit weichen Knien und brennenden Oberschenkeln das letzte Stück durch die noch geschlossenen und leeren Verkaufsstände. In ein paar Wochen werden hier wieder Opfergaben und Verpflegung für die zahlreichen Pilger angeboten. Die Sonne schickt wieder unbarmherzig ihre Strahlen zu uns. Ein paar Affen brettern geräuschvoll über die Blechdächer der Buden.

Als ich noch mal zurückschaue, erblicke ich nun endlich auch den markanten Berg mit dem kleinen Tempel auf seiner Spitze, der sich steil in den Himmel reckt und schon wieder so weit weg erscheint. Ein paar meiner Sünden habe ich heute Nacht auf ihm auch abgebüßt ;-)

Mädchenreise

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Primär sind es Touristen, die auf dem kleinen Bahnhof die Holzbänke im "Tourist Comfort Center" bevölkern. Eigentlich hätte das "Kleine Mädchen" (Podi Menike), wie der Zug genannt wird, schon vor gut 30 Minuten in die Station von Pattipola einfahren sollen. In Anbetracht der Fußgänger, die immer wieder gemütlich den Schienen entlang schlendern, hatte ich eh nicht mit einem pünktlichen Erscheinen der Dame gerechnet.  Obwohl der "Podi Menike" als Expresszug geführt wird, scheint man es doch nicht so eilig zu haben. Ich vertreibe mir die Zeit mit dem Bestaunen der Apparaturen aus einer anderen Zeit, die aber noch funktionstüchtig zu sein scheinen. Denn gerade macht sich der Bahnhofswärter an den Hebeln zu schaffen. Nun treffen auch ein paar Einheimische am Bahnsteig ein – wohl ein Zeichen dafür, dass sich in nächster Zeit doch etwas tun wird.

Dann biegt die kleine, blaue Diesellok um die Ecke und die Kameras werden gezückt, um die Reise vom höchst gelegenen Bahnhof in Sri Lanka zu dokumentieren. 1.891 Meter über dem Meeresspiegel befinden wir uns, mitten im grünen Hochland, dem Herz der Insel. Das mag auch zum Teil erklären, warum dieser Abschnitt der Zugstrecke bei Touristen so populär ist. Ein bisschen hatte ich ja das britische Flair vergangener Zeiten erwartet, aber die in China hergestellten Waggons sind spartanisch ausgestattet und versprühen eher den Charme der Siebziger Jahre. Immerhin gibt es in der zweiten Klasse gepolsterte Sitze und Ventilatoren an der Decke. Aber nachdem alle Fenster im Wagon hochgeschoben sind, geht der Windhauch der kleinen Propeller im allgemeinen Durchzug unter.

Es dauert eine Zeitlang, bis wir mithilfe des Schaffners und unseres Guides die uns zugewiesenen Plätze gefunden haben. Die beiden Waggons mit vorreservierten Sitzen sind nur mit Touristen besetzt und da die Verbindungstüren zu den anderen Wagen versperrt sind, wird es wohl nix mit dem engen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, den einige Reiseführer versprechen. Bis auf einen fliegenden Händler, der auf seinem Gang durch den Zug Kaffee und Tee (in der gleichen Kanne!) verkauft, wechsle ich auf der Fahrt kein Wort mit einem Singhalesen.

Aber das ist auch nicht der Grund für unsere Zugreise: es geht um die Landschaft und die spektakuläre Aussicht, die man auf der Fahrt durch das grüne Hochland hat. Und eigentlich brauche ich meinen reservierten Sitzplatz auch gar nicht, denn ich habe einen Platz an der offenen Zugtür ergattert, genieße den freien Blick und den Fahrtwind. So waghalsig wie einige Touristen, die ihre Füße über dem Abgrund baumeln lassen oder sich für Selfies komplett aus der Tür raushängen, bin ich allerdings nicht. Aber ab und zu strecke ich schon vorsichtig den Kopf um die Ecke und erhasche einen Blick auf die Schlange an blauen Waggons und die Diesellock, die die nächste Kurve in Angriff nimmt.

Am Horizont erheben sich die grünen Bergketten der Horton Plains, aus kleinen Holzhütten steigt Rauch auf und Dörfer fliegen vorbei. Teeplantagen schmücken die vorbeiziehenden Hügel mit ihren perfekten runden Sträuchern. Der nächste Tunnel (Kopf einziehen!), dann geht es direkt neben mir steil in die Tiefe, ein kleiner Wasserfall entspringt unter den Schienen. Eine Steinbrücke gibt den Blick auf ein grünes Tal frei. Alles untermalt vom gleichmäßigen Rumpeln des "Kleinen Mädchens", das nur bei den kurzen Stopps in den Stationen verstummt. Am nächsten Bahnhof kriecht dichter Nebel über das hintere Ende des Zuges und verleiht der Bergkulisse etwas Unwirkliches.

Ab und zu gebe ich meinen Platz an der Tür frei, damit auch einer der Mitreisenden in den Genuss der freien Sicht kommt. Das junge spanische Pärchen muss noch ein Selfie mit fliegenden Haaren und der Aussicht im Hintergrund machen.  Die ältere Engländerin hinter mir dagegen ist noch zaghafter als ich und macht nur ein paar Fotos mit ihrem Tablett - mit respektvollem Abstand zur offenen Tür. Dann habe ich den Platz im warmen Fahrtwind wieder für mich allein.

Viel zu schnell ist die Reise vorbei, und als ich über die steile Treppe aussteige und wieder festen Boden unter den Füßen habe, brauche ich einen kurzen Moment, um wieder im Hier und Jetzt zu landen. Hinter mir setzt sich der Zug in Bewegung, der Schaffner in seiner schmucken Uniform wirft uns noch einen strengen Blick zu, bevor das "Kleine Mädchen" wieder hinter der nächsten Biegung verschwunden ist.

Wildwechsel in Sri Lanka

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Fast 6.000 wilde Elefanten gibt es in Sri Lanka - für eine Fläche, die kleiner als Bayern ist, eine ganze Menge. Dagegen erscheint einem die Zahl der zahmen Arbeitselefanten mit 150 verschwindend gering. Damit hat die kleine Insel im Süden Indiens laut Schätzungen die höchste Elefanten-Dichte in ganz Asien.

Und doch steht der Asiatische Elefant auf der roten Liste gefährdeter Tierarten. Sein Lebensraum verkleinert sich stetig und Konflikte zwischen den grauen Riesen und der lokalen Bevölkerung steigen. 150 bis 200 von ihnen werden jährlich getötet, weil sie den Menschen zu nahe kommen.

Obwohl sich die meisten Populationen auf die Nationalparks beschränken, soll man sie auch immer wieder außerhalb der Parks entlang der Straße antreffen. Aber uns hat sich noch kein Exemplar gezeigt, obwohl wir nun schon gut eine Woche auf der grünen Insel unterwegs sind. Irgendwie kann ich mir auch gar nicht so richtig vorstellen, dass so ein imposantes Tier einfach so durch die Gegend marschiert - so wie bei uns Hirsche oder Rehe.

Aber die kleinen, mit Palmenblättern gedeckten Baumhütten inmitten der Felder zeugen davon, dass hier ab und zu einer der Dickhäuter vorbeischaut: sie dienen den Bauern als Hochsitze, um die hungrigen Gäste zu vertreiben. Und manchmal ist so eine Hütte auch letzter Zufluchtsort vor einem wütenden Bullen. Bei solchen Zusammenstößen kommen laut Statistik pro Jahr etwa rund 50 Menschen ums Leben.

Am Nachmittag führt unsere Route zwischen zwei Nationalparks hindurch. Gute Chancen eigentlich, einen Ceylon-Elefant - den größten der drei asiatischen Unterarten - anzutreffen. Aber wie angestrengt ich auch in die Büsche rechts und links starre, kein Rüssel weit und breit zu erblicken. Langsam dämmert es, das Gestrüpp am Straßenrand ist nur noch vage zu erkennen. Dann ein Ruf aus den vorderen Reihen im Bus und wir bremsen ab. Und wirklich, direkt vor uns steht ein Elefant am Rand der Straße. Sehr entspannt sieht er aus, lässt sich vom vorbeiflitzenden Verkehr nicht stören, angelt sich ein paar Blätter aus dem nächsten Baum. Langsam rollt unser Bus vorbei und bleibt dann stehen.

Nun habe ich durch das Rückfenster klare Sicht auf den ungewöhnlichen Fußgänger. Etwas unwirklich erscheint er im noch vorhandenen Tageslicht. Schemenhaft zeichnen sich seine Umrisse gegen den Abendhimmel ab. Beeindruckend und etwas furchteinflößend. Ich kann die Warnungen verstehen, dass man keinesfalls sein Auto verlassen sollte, wenn man auf einen von ihnen trifft. Schwach kann man noch das hell-rosa Muster auf seiner Stirn erkennen, das bei jedem Tier einzigartig ist.

Gerade wendet er sich der Straße zu, als würde er kurz nachdenken, ob sich eine Überquerung auch lohnt. Dann schlendert er gemächlich Richtung Mittelstreifen. Ein Tuk-Tuk kann gerade noch ausweichen und ich kann den erschreckten Schrei des Lenkers durch die Busfenster hindurch hören. Unbeeindruckt setzt der Dickhäuter seinen Weg auf die andere Seite fort. Dreht sich dort noch einmal um und schaut in unsere Richtung. Tänzelt kurz von einem Bein auf das andere und wiegt seinen Kopf hin und her, als wollte er sagen: "Tse, tse, immer diese Touristen!". Bevor seine dunkle Gestalt wieder zwischen den Bäumen verschwindet.

Weitere Impressionen der Sri Lanka-Reise:

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